13 May 2019
Article about Feelif in German magazine. Article is in German.
Feelif – Bildschirminhalte auf den Fingerspitzen fühlen
Für Blinde ist ein Bildschirm eine glatte Fläche, Bilder und Formen werden nicht wahrgenommen. Daher gibt es viele digitale Inhalte, auf die sie nicht zugreifen können. Wie könnte man diese Lücke schließen, um digitale Inhalte ohne Einschränkungen zu nutzen und mit ihnen zu interagieren.
Die Initialzündung
Der slowenische Entwickler Zeljko Khermayer erzählt: „Im Jahr 2013 sah ich einen Dokumentarfilm über taubblinde Menschen und wie sie mit ihrer Behinderung leben. Aufgrund ihrer Kommunikationsprobleme und der Tatsache, dass die damals verfügbare Kommunikationstechnologie für die meisten Taubblinden teuer und unerreichbar war, waren sie sehr einsam. Das hat mich tief bewegt. Ich habe mir überlegt, dass Smartphone und Tabletts so modifiziert werden könnten, dass sie von Menschen mit Sehstörungen im Alltag verwendet werden könnten. „
Zusammen mit seinen Kollegen hat Herr Khermayer eine spezielle Anwendung für Touchscreen-Geräte entwickelt mit einem dazugehörigen transparenten, auf eine Folie geprägten Netz entworfen. Das Konzept wurde dann im Jahr 2015 unter dem Namen Feelif bekannt. Während des gesamten Entwicklungsprozesses hat das Feelif-Team mit Blinden und Sehbehinderten und deren Eltern und Lehrer zusammen gearbeitet.
Was genau ist Feelif?
Feelif-Geräte verwenden eine innovative Patent-Technologie, mit der blinde oder sehbehinderte Personen Bilder und Formen auf einem Standard-Touchscreen erfühlen können. Hierzu entwickelte Android-Apps, ein spezielles transparentes, aufklebbares, geprägtes Gitternetz und eine Kombination aus visuellem, akustischem und vibrierendem Feedback bieten ihren Nutzern ein multisensorisches Erlebnis, mit dem sie das visualisieren können, was unter ihren Fingern angezeigt wird.
Die Benutzer können mit den Fingern über diese taktile Oberfläche gleiten und einer bestimmten Kontur auf dem Bildschirm folgen. Das Gitternetz bietet eine hervorragende Orientierung auf einem ansonsten flachen Bildschirm und verbessert gleichzeitig die Feinmotorik des Benutzers.
Mit dieser Technologie wurde eine Nutzungslücke geschlossen und die blinden und sehbehinderten Nutzer können Inhalte auf dem Bildschirm taktil erfahren, ohne nur auf Audiobeschreibungen beschränken zu sein.
Wer kann Feelif benutzen?
Die Feelif Technologie wurde eigentlich für die Blinde und Sehbehinderte entwickelt, nützt aber auch ihren Eltern und Lehrern, weil diese mit dieser Technologie und den dafür entwickelten Apps sogar neue Inhalte für ihre Kinder und Jugendlichen erstellen können.
Das Ziel von Feelif ist es, Blinde und Sehbehinderte durch für sie benutzerfreundliche und angepasste Informations- und Kommunikationstechnologien zu ermutigen, ihre Kreativität zu fördern. Sie soll sie unterstützen, damit sie sich in Bereichen weiterentwickeln können, die ihnen bisher nicht zur Verfügung standen.
Die Feelif Open Platform (FOP)
Die Feelif Open Platform (FOP) wird durch ihren einfachen Zugriff ermöglichen, die Feelif Technologie einem breiteren und größeren Publikum zugänglich zu machen. Eine Menge neuer und verbesserter Inhalte und Apps werden hier von Softwareentwicklern und Nutzern für blinde und sehbehinderte Menschen bereitgestellt. Dadurch erhalten sie mehr Möglichkeiten m Ausbau ihrer Bildung, Unterhaltung und Lebensqualität.
Mehr als nur eine Technologie
Feelif beinhaltet nicht nur die technologische Komponente der taktilen Bildschirmdarstellung. Das Entwickler-Team hat schon mehrere alltagstaugliche Apps sowie Bildungs- und Unterhaltungsanwendungen entwickelt, die auf die Bedürfnisse von Blinden und Sehbehinderten zugeschnitten sind. Beispielsweise kann man auf den Feelif-Geräten Brailleschrift und geometrische Formen lernen, zeichnen, Spiele spielen und sogar Fotos machen und danach fühlen, was auf ihnen zu sehen ist. Beispiele hierfür sind:
App Spotlight: Feelbook Maker und Reader
Nach dem Modell von taktilen Bilderbüchern, entwickelte Feelif eine App für digitale taktilen Bücher- Feelbooks, bei der man mit Hilfe von Vibrationen, Geräuschen und Sprache, einen interaktiven Inhalt zugänglich macht - von Märchen bis hin zu Mathematikaufgaben. Mit Hilfe von Feelbook Maker kann man auch Spiele und Quizfragen erstellen. Dazu braucht man nur ein bisschen Phantasie und etwas Zeit.
Diese Feelbooks-App kann auch mit anderen Nutzern geteilt und in andere unterstützte Sprachen (derzeit Slowenisch, Deutsch, Englisch, Französich und Türkisch) übersetzt werden.
Schatzsuche – das interaktives Spiel für Blinde, Sehbehinderte und Sehende.
Die Feelif Schatzsuche kombiniert Bildung mit Spaß und erweist sich als der beste Weg, um neue Fähigkeiten (Mit dem Spiel verbessert sich die Feinmotorik und man lernt sehr schnell die Raumorientierung) zu erlernen. In diesem Spiel sollen die Spieler Rätsel lösen, Spuren finden, Hinweisen nachgehen, Freundschaften schließen, Kooperationen gründen und Teamarbeit leisten, bis sie letztendlich einen Schatz gefunden haben. Die Spieler werden in Gruppen aufgeteilt, die auf der Jagd miteinander konkurrieren. Man braucht noch einen Sammelpunkt auf dem Spielfeld, an den sie zurückkehren können, um die Karte erneut zu berühren, zu fühlen und ihre Erinnerung an die Spur, Hindernisse und andere gegebene Informationen zu aktualisieren. Wenn auch Sehbehinderte und Sehende mitspielen, müssen diese aber eine Augenmaske tragen.
Das geprägte Gitternetz bietet eine hervorragende Orientierung auf dem Feelif- Geräten und in der Kombination von Geräuschen und Sprache kann eine erweiterte Karte des Spielplatzes erstellt werden.
Um dieses Spielerlebnis zu ermöglichen, müssen die Spieler vorher schon mit Feelif bekannt sein. Die Fähigkeit, Formen und unterschiedliche Vibrationen zu fühlen, ist bei jedem Mensch anders. Manche können es in sehr kurzer Zeit erlernen und anwenden, andere brauchen möglicherweise mehrere Stunden Training.
Ein sehr wichtiger Faktor für die gewünschte Auswirkung wird die Feelif Open Platform (FOP) sein. Mit der FOP wird ein einfacher Zugang ermöglicht um die Feelif Technologie noch mehr nutzbar zu machen.
Mit mehr Inhalt-Erstellern und Softwareentwicklern, die während der Nutzung der Feelif-Technologie neue Apps erstellen, wird FOP eine Menge neuer und besserer Inhalte und Apps bereitstellen, die speziell auf die Bedürfnisse von Blinden und Sehbehinderten zugeschnitten sind. Dadurch erhalten sie mehr Möglichkeiten zur Verbesserung von Bildung, Unterhaltung und Lebensqualität.
So arbeitet die ganze Feelif Gemeinschaft auf mehr und besseren Inhalt für die Blinde und Sehbehinderte.